Dies ist eine Andacht von Marcus Wetter.

In Psalm 91,11 heißt es: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen. (Lutherbibel). Die Zürcher Bibel übersetzt diesen Vers etwas anders: „Denn er wird seinen Boten gebieten, dich zu behüten auf allen deinen Wegen.“

Das Hebräische Wort für Engel „Mal’ach“ kann nämlich beides bedeuten, Bote und Engel. Dieser Psalmvers ist übrigens auch ein sehr beliebter Taufspruch. Ich möchte euch etwas Persönliches erzählen, wie es mir in den letzten 14 Tagen ergangen ist. Mir sind nämlich Engel begegnet!

Vorletzte Woche kam ich per Noteinweisung ins Krankenhaus und ich entschied mich für das katholische Krankenhaus in unserer Stadt in Trägerschaft der Alexianer. Um es vorwegzunehmen: Das Krankenhaus hat alles gut in den Griff bekommen und ich konnte nach fünf Tagen wieder nach Hause. Da ich nicht sehr Krankenhauserfahren bin, habe ich mich aber zunächst recht hilflos gefühlt wie ein Rädchen in einem großen anonymen Getriebe.

Am zweiten Tag meines Aufenthaltes kommt eine Mitarbeiterin in mein Zimmer und sagt ganz erstaunt: „Marcus, was machst du denn hier?“. Es war eine Frau aus unserer Kirchengemeinde, die im Patientenservice arbeitet und mit mir die Papiere durchgehen wollte.

In der Mittagspause besucht mich ein Freund, der als Abteilungsleiter bei den Alexianern arbeitet. Er nimmt sich die Zeit und wir verbringen zusammen die Mittagspause.

Am nächsten Tag kommt er wieder und bringt mir sogar frische Erdbeeren mit. Wir verbringen wieder die Mittagspause und lachen viel zusammen.

Am späteren Nachmittag kommt die katholische Krankenhausseelsorgerin zufällig auf meine Station, sie wollte wohl eigentlich zu jemand anderem. „Marcus, was machst du denn hier?“ Sie wohnt bei uns in der Nachbarschaft und war früher die Pastoralreferentin der katholischen Nachbargemeinde. Sie setzt sich zu mir und zu meiner Frau, die auch zu Besuch war und wir quatschen fast anderthalb Stunden sehr nett miteinander.

Sie verspricht am übernächsten Tag wiederzukommen, falls ich dann noch da sei. Für den Sommer haben wir uns mit ihr und ihrem Mann auf ein Glas Wein im Garten verabredet – wir wohnen ja nah beieinander.

Irgendwann schießt es mir durch den Kopf und ich sage zu mir selbst: irgendwie sind hier Engel unterwegs, die mir begegnen und mir so guttun.

 

 

Das große Krankenhaus wirkt auf einmal gar nicht mehr so anonym und fremd, sondern vertraut, weil es ein Gesicht bekommen hat.

Abends, als es mir schon etwas besser geht, mache ich auf Entdeckungstour durch Krankenhaus. Ich nehme den falschen Aufzug, lande auf einer Etage, wo ich gar nicht hinwollte. Da sehe ich ein Schild „Krankenhauskapelle“ und gehe dahin. Eine Frau kommt herein und zündet Kerzen an. Ich frage, ob hier jetzt was los sei. Sie sagt: hier ist gleich Heilige Messe. Ich entschließe mich zu bleiben. Ein indischer Priester mit zwei indischen Nonnen und eine osteuropäische Organistin stellen das Personal, von den Patienten sind nur drei anwesend, also mit mir. Die meisten Lieder kenne ich, ich singe kräftig mit, die Texte und liturgischen Stücke sind mir auch größtenteils bekannt. Ich mache alles mit, auch die Eucharistie. Der Priester klopft mir nach der Messe freundschaftlich auf die Schulter – wahrscheinlich hält er mich für einen guten Katholiken. Die eine indische Nonne fragt mich ob ich Musiker sei, ich hätte so schön gesungen. Nun ja, ich war mit der Organistin auch der einzige, der gesungen hat. Irgendwie hat mir diese Messe gutgetan, das war für mich Kirche Jesu Christi und ökumenische Geschwisterschaft. Am letzten Tag treffe ich die indische Nonne in der Cafeteria, sie winkt mir fröhlich zu und fragt ob ich heute wieder zur Messe komme – leider muss ich ihr eine Abfuhr erteilen, denn ich werde ja zum Glück entlassen.

Ich bin Gott dankbar für die Engel, für die Boten, die er mir auf den Weg geschickt hat. Keinem meiner Gesprächspartner war wahrscheinlich bewusst, dass sie für mich wie Engel waren, sie waren einfach da und haben das getan, was sie tun mussten oder tun wollten. Ich bin meiner Hausärztin dankbar, die mich geistesgegenwärtig schnell eingewiesen hat, ich bin den Ärzten und dem Pflegepersonal im Krankenhaus dankbar.

Gottes Engel – das sind nämlich wir, du und ich. Oft ist es gar nicht das Großartige, sondern das Naheliegende, das uns zu Engeln macht: ein freundliches Wort, sich nach dem anderen erkundigen, Hilfe anbieten, für ein Gespräch bereitstehen.

Ich möchte euch einladen, heute die Engel in eurem Leben wahrzunehmen und achtsam dafür zu sein, wo ihr für andere Engel – also Bote Gottes – sein könnt, mitten im Alltag.

 

Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Gebet:

Jetzt, mein Gott, täten uns Engel gut. An unserer Seite und um uns herum. Denn wir brauchen Mut. Und Phantasie. Und Zuversicht.

Darum: Sende deine Engel. Zu den Kranken und zu den Besorgten. Sende deine Engel zu denen, die anderen zu Engeln werden: Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, Rettungskräfte und Notfallseelsorger, alle, die nicht müde werden, anderen beizustehen.

Sende deine Engel zu den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft.

Sende deine Engel auch zu denen, an die kaum jemand denkt: zu den Menschen die auf der Straße leben, zu den Geflüchteten in den Lagern und auf dem beschwerlichen und gefährlichen Weg dorthin, wo sie endlich Schutz und Sicherheit finden.

Jetzt, mein Gott, tun uns die Engel gut. Du hast sie schon geschickt. Sie sind ja da, um uns herum. Hilf uns zu sehen, was trägt. Was uns am Boden hält und mit dem Himmel verbindet, mit dir, mein Gott. Denn das ist’s, was hilft und tröstet. Amen.